Entscheidungen
Betriebsschließungsversicherung: Zweifelhafte Leistungsablehnung bezüglich des Coronavirus
Problem/Sachverhalt
Zur Eindämmung der Corona-Pandemie wurden seitens der Behörden ein Großteil der Handelsgeschäfte, Gastronomie- und Beherbergungsbetriebe geschlossen sowie ein Versammlungsverbot erlassen, welches nahezu sämtliche Veranstaltungen (z.B. Messen) betrifft. Es kommt zu behördlichen Schließungen aufgrund von Landesverordnungen, die explizit auf § 32 Infektionsschutzgesetz verweisen.
Doch wer eine Betriebsschließungsversicherung unterhält, muss jetzt vielfach feststellen, dass dieser seine Eintrittspflicht ablehnt mit der Begründung, Versicherungsschutz bestehe nur für abschließend aufgezählte Krankheiten und Krankheitserreger, das Coronavirus bzw. Covid-19 seien in dieser Aufzählung nicht enthalten.
In den Versicherungsbedingungen ist insoweit häufig wie folgt formuliert:
1. Der Versicherer leistet Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz - lfSG) beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Nr. 2) den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen schließt.
2. Meldepflichtige Krankheiten oder Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die folgenden, im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten oder Krankheitserreger: [es folgt eine Auflistung der Krankheiten und Krankheitserreger, die zum Zeitpunkt des Versicherungsabschlusses im Infektionsschutzgesetz aufgeführt waren.]
Bewertung
Bei einem solchen Wortlaut wird man den Versicherungsschutz nicht verneinen können.
Auf der Grundlage des § 15 IfSG hat das Bundesministerium für Gesundheit bereits am 30.01.2020 verordnet, dass auch für das neuartige Coronavirus eine Meldepflicht nach §§ 6 f. IfSG besteht. Damit wurden die §§ 6 und 7 Infektionsschutzgesetz faktisch um das Coronavirus (SARS-CoV-2 / 2019-nCoV) und die Erkrankung Covid-19 ergänzt.
Eine solche Ergänzung muss aufgrund der Verordnung als „namentlich in den §§ 6 und 7 genannte Krankheit“ im Sinne der Versicherungsbedingungen angesehen werden. Die Betriebsschließungen werden auch in den jeweiligen Landesverordnungen explizit auf das IfSG gestützt.
Auch kann sich der Versicherer nicht darauf berufen, dass die Aufzählung von Krankheiten bzw. Krankheitserregern in den Bedingungen abschließend sei.
Die Auflistung in den Versicherungsbedingungen sollte offensichtlich lediglich deklaratorischen, nicht jedoch konstitutiven Charakter, haben. Dem Versicherungsnehmer sollte nur vor Augen geführt werden, welche Krankheiten im Infektionsschutzgesetz aufgelistet sind und für welche Krankheiten qua Auflistung im Infektionsschutzgesetz insofern Versicherungsschutz besteht.
Nach der Rechtsprechung sind Versicherungsbedingungen so auszulegen, wie ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer (VN) sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs verstehen muss. Dabei kommt es auf die Verständnis-möglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. Dieser VN wird in erster Linie vom Wortlaut einer Klausel ausgehen. Der durchschnittliche VN, den sich die Rechtsprechung vorstellt, wird davon ausgehen, dass sich der Versicherungsschutz auf jede Betriebsschließung aufgrund einer Krankheit bezieht, die nach §§ 6 und 7 IfSG meldepflichtig ist, denn der durchschnittliche VN wird davon ausgehen, dass in diesen gesetzlichen Vorschriften sämtliche relevanten Krankheiten und Erreger aufgeführt sind. Selbstverständlich erwartet der durchschnittliche VN aber auch, dass Anpassungen und Erweiterungen des genannten Gesetzes auch Auswirkungen auf den Versicherungsschutz haben. Dass die in den Bedingungen genannten Krankheiten abschließend sein könnten, wird der durchschnittliche VN nicht annehmen. In den Versicherungsbedingungen erfolgt auch kein Hinweis, dass sonstige bzw. weitere Krankheiten ausdrücklich ausgeschlossen sein sollen, sofern eine zukünftige Aufnahme in das Infektionsschutzgesetz erfolgt. Auch wird die Aufzählung nicht mit der Klarstellung eingeleitet, dass Versicherungsschutz ausschließlich für die in den Bedingungen genannten Krankheiten erfolgen soll.
Hinzu kommt, dass Zweifel über den Inhalt der Bedingungen zu Lasten des Versicherers als Verwender gehen.
Der durchschnittliche VN würde bei einer behördlichen Verordnung, die zu einer Schließung seines Betriebs führt – richtigerweise – erkennen, dass er auf Grundlage der verwendeten Versicherungsbedingungen Versicherungsschutz hat. Zu dieser Erkenntnis würde der verständige VN auch deshalb gelangen, weil die Versicherung, der er abgeschlossen hat, bereits „Betriebsschließungsversicherung“ heißt und den Sinn und Zweck somit bereits eindeutig im Namen trägt.
Praxishinweis
Die Klauseln variieren von Versicherer zu Versicherer in entscheidenden Details. Hat der Versicherer in den Bedingungen nicht eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass eine etwaige Aufzählung von Krankheiten/-erregern abschließend ist, sollte eine ablehnende Entscheidung sehr kritisch geprüft werden.
RA und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht
Michael Kneip, Hannover
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Am 25-10-17 in Versicherungsrecht
Inventarversicherung einer Shisha-Bar. VN meldet einen Einbruchdiebstahl. Der Schadenregulierer des VR kennt das Objekt aus einem Vorschaden (des Voreigentümers) und hat Zweifel, dass die Hebelspuren an der Hintertür neu sind. Aus vorliegenden Fotos lässt sich entnehmen, dass das Spurenbild unverändert war. Aus den Ermittlungsakten der StA geht aufgrund eingeholter LKA-Gutachten zudem hervor, dass in beiden Fällen festgestellt wurde, dass die vorhandenen Spuren keine ausreichende Spurenlage zum gewaltsamen Überwinden der Tür darstellten.
Das LG Verden hat den Antrag des VN auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. VN habe das „äußere Bild“ eines Einbruchdiebstahls nicht nachgewiesen, da keine Einbruchspuren vorhanden waren. Die vorhandenen Beschädigungen an der Metalltür reichen nicht aus, da diese nicht aus dem vermeintlichen Einbruch aus 2015 stammen, denn sie waren schon 2014 vorhanden.
Hierbei hat das Landgericht eine Verwertung der jeweiligen Ermittlungsakten (einschließlich LKA-Gutachten) im Wege der Beweisantizipation vorgenommen.
Das OLG Celle hat die Entscheidung bestätigt und insbesondere darauf abgestellt, dass eine Beweisantizipation im PKH-Verfahren ausnahmsweise zulässig ist, wenn die Gesamtwürdigung aller schon feststehenden Umstände und Indizien eine positive Beweiswürdigung zugunsten des Hilfebedürftigen als ausgeschlossen erscheinen lassen.
LG Verden 8 O 342/16Nils Christian Brunotte
Tätigkeitsschwerpunkte:
- Versicherungsrecht
- Bau- und Architektenrecht